hubertus

Vergangenheitsbewältigung wird hier probiert:

Hubertus Mohr, Musiker aus Fürth, der es nach Jahren in der Vorhölle der Musik geschafft hat, fast gänzlich unbekannt zu bleiben, legt nun endlich sein erstes Soloalbum, „Nie mehr“ vor: eine Sammlung elegischen, intimen Indie Pops, mit weltmännischer Gelassenheit, Mut zum Kitsch und mit einer ganz eigenen Form des Witzes und der Ironie vorgetragen. Es ist ein großartiges Album geworden, mit einer Musik die einlädt, genau hinzuhören.

„Es ist die eigene Ironie die mir gefällt und die mich so am Leben hält“ singt Hubertus im letzten Stück des Albums, ctx 1300, das sich mit der für das Album zentralen Frage beschäftigt, wie man durch dieses Leben geht, ohne seine Würde zu verlieren. Aufgewachsen als Sohn eines exzentrischen oberfränkischen Apothekers regt sich schon früh eine Faszination für existenzielle Fragestellungen. Als der Vater der versammelten Familie zu Weihnachten einen vom befreundeten Gunther von Hagen plastinierten menschlichen Kopf präsentiert, stellen sich die Weichen, der diplomierte Psychologe Hubertus widmet sich nun vollends der Musik. Er spielt unter anderem bei The B’shops, Lotus 7, Klaus Cornfield Trio, Supergroup vol 1 + 2, und einigen anderen Projekten.

Doch wohin nun mit dem akademischen Ballast? Eine der größten Leistungen von Hubertus ist es, die geballte Ladung akkumulierten Wissens und Weisheit in Schach zu halten. Schneideresque Schüttelreime wie „Jedes Mal, diese Qual“ oder „wie kann der Name der unbekannten Dame sich solange mir entziehen“ können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um sehr viel geht in dieser Musik, dass man nah dran ist an jemandem, der mit der angebrachten Distanz die großen Dinge verhandelt: „Kann denn keiner die Zweifel zerstreuen/ ich würde vieles dafür bereuen/ ganz egal wie du dein Schicksal verstehst“ (Die guten Tage). Das sind keine ungefilterten Bekenntnisse adoleszenten Befindlichkeitsrocks sondern vielmehr Versuche über „Strategien“, lakonisch und teilweise verschroben in Verse gegossen – denn „Vergangenheitsbewältigung wird hier probiert“ (Die Wahrheit).

Und wie klingt das? Das erste Stück Die Wahrheit gibt gleich die Richtung vor: Am Indierock der letzten Dekaden geschulte Gitarrenharmonien werden unterlegt von knisternd erotischen Streicherflächen aus der Twilight Zone der knisternd erotischen Streicherflächen. The Divine Comedy könnten als Referenz dienen oder Elliot Smith – ein Panflötensolo wie in Die guten Tage lassen aber eher an home recording wizard R. Steve Moore denken. Und wie Moore ist Hubertus stark von den Beatles und Dennis Wilson beeinflusst und übersetzt deren Musik in seine One-Man-Band-Musik, immer auf dem schmalen Grad zwischen Scheitern und dem großen Wurf. Unterstützt wird er dabei lediglich von Schlagzeuger Alex Sticht (Throw that Beat into the Garbage Can) und Annette Heyder, deren Stimme Stücken wie Diese Qual eine ganz eigene Eleganz und Größe verleiht. Und nochmal: „Nie mehr“ ist ein großartiges Album geworden.

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